Yeah, mein erstes „InDIE Fresse, rein ins Mäulchen-Interview“. Natürlich ist Schleckermäulchen kein Food-Blog. Das ist ja so was von uncool und bei der Lesung wurde Torsun Burkhardt auch kurz vom Publikum ausgebuht, als er beichtete, dass er auch so einen Blog errichtet hat („Oh nein, bitte kein Food-Blog…“).
Zu spät… Aber jetzt geht es ja sowieso vorwiegend ums Nicht-Essen. Später sprechen wir aber dann auch noch über Straight Edge, Peta und einige andere Trottel. Trottel ist neben Loser mein neues Lieblingswort.
Mein erster Stargast also, Torsun Burkhardt von der Band Egotronic. Die machen Elektropunk mit ziemlich guten Texten („Deutschland, Arschlock, Fick dich“). Torsun schreibt auch Bücher („Raven wegen Deutschland“) und mit seinem neusten Werk „Tagebuch eines Fastenden“ (Ventil Verlag) war er im Dezember im Monarch in Berlin zu hören. Anfang des Jahres hat Torsun seine erste Fastenkur durchlebt, und das war eine ziemlich intensive Erfahrung, wie er in seinem Tagebuch erläutert. Torsun gehört allerdings nicht zu den Menschen, die plötzlich aus einer Fastfood-Kette türmen und sich für ein gesundes, möglichst veganes Leben entscheiden, womöglich weil es hip und cool ist. Was ja im Grunde nicht verkehrt ist – kann ja jeder essen und leben, wie er will – so lange man damit nicht hausieren geht und andere Menschen nervt, siehe Attila der Körnerkönig, Thomas D. (steht D. eigentlich für Diktator oder Dumpfbacke?) oder Ex-Fleischfrikadelle Andreas „Bär“ Läsker.
Torsun tat es aus rein gesundheitlichen Gründen – und nicht, weil er als echter Punkrocker sich hier und da mal einen wegballert. Nein, er leidet schon lange an Rheuma, eine ziemlich fiese und schmerzhafte Krankheit. Fasten soll gut sein für Körper und Wohlbefinden. Also, wollte Torsun das unbedingt ausprobieren.
Die Krankheit stand an diesem ersten Lesungsabend aber nicht im Vordergrund. Im Gegenteil, alle waren bestens gelaunt und es wurde ordentlich getrunken, ach was, es wurde gesoffen. Da gingen so manche Biere und Kurze über die Ladentheke. Im Nachhinein ein wortwörtlich VOLLer Erfolg. Das Publikum jubelte und amüsierte sich köstlich, denn „Das Tagebuch eines Fastenden“ führt den Leser mit viel Humor durch zwei Wochen Klinikaufenthalt. Torsun berichtet von seiner anfänglichen Panik nach der Einnahme des Glaubersalzes, ob sein Platz auf der Toilette auch wirklich sicher sein. Und er fragte sich mit knurrendem Magen: „Warum lässt mein Zimmergenosse seinen Kartoffelsalat mitten auf dem Tisch stehen? Ist das ein Test?“
Jedenfalls dürften nach diesem Buch entweder alle vom Gedanken ans Fasten geheilt sein -oder aber sie rennen den Kliniken jetzt die Türen ein. Die Exemplare gingen an diesem Abend auf jeden Fall weg wie warme Semmeln. Als dann auch noch heraus kam (es wurden zwischendurch immer mal wieder Bilder und Fotos gezeigt), dass der Film „Dumm & Dümmer“ zu Torsuns Lieblingsfilmen gehört, muss man den Mann einfach ins Herz schließen. Aber bitte, lest selbst. Ich durfte noch vor der Lesung mit dem Musiker quatschen. In diesem Sinne: Prost und viel Spaß beim Lesen!
Wie kamst du auf die Idee zu fasten?
T: Ich bin Rheumapatient und die Rheumaklinik in Buch hat einen Ableger in Wannsee. Dort gibt es die Naturheilkunde-Station. Diese bietet Fasten für Rheumapatienten an. Ich hatte es aber auch schon von anderen gehört, dass das gut sein soll, hab dann angerufen und dort für zwei Monate gefastet. Ich muss sagen, ich war positiv überrascht über das Ergebnis.
Du wirst es in deinem Buch erläutern, aber wie kann man sich den Klinikaufenthalt vorstellen? Ich kannte das bisher von Freunden, die dann in die Natur fahren oder ans Meer und da für ein paar Tage fasten.
T: Ich hab halt dort in der Klinik gewohnt und so auch schon gefastet, als würde man in die Natur fahren, aber dazu kamen jeden Tag rheumatherapeutische Anwendungen, die ich gemacht habe. Das Nicht-Essen wurde demnach zusätzlich mit den Anwendungen kombiniert. Sozusagen eine Rundumbetreuung. Deshalb hat das auch die Krankenkasse übernommen.
Und die Kur hatte positive Auswirkungen?
T: Ja, total. Wenn du so wie ich an starkem Rheuma leidest, dann ist man ständig schlapp und müde. Die Müdigkeit war schon nach ein paar Tagen komplett weg. Und das zog sich auch noch weiter, so drei Monate nach der Fastenkur fühlte ich mich sehr viel fitter. Das hat schon einiges gebracht. Ich hab mir auch schon vorgenommen das einmal im Jahr zu machen. Immer so zum Frühling, eine gute Sache finde ich.
Ich habe heute von meinem Laut.de Kollegen Michel erfahren, das Sven Väth auch regelmäßig fastet, aber für mehrere Wochen in Thailand.
T: Ja, das hab ich auch schon gehört, aber der ist mehr so esomäßig unterwegs. Das hat der früher wohl auch schon gemacht, so mit richtig entgiften. Mit dieser esoterischen Nummer kann man mich allerdings jagen. Damit kann ich gar nichts anfangen.
Wie lange durfte man vor deiner Kur eigentlich nichts essen?
T: Ich kam da eigentlich schon nüchtern an und die meinten, ich müsse erst noch was essen. (Schmunzel). Du bekommst erstmal so eine ganz leichte Nahrung morgens und mittags, dann gibt es nachmittags Glaubersalz, also quasi den Einlauf und dann geht es am nächsten Tag los. Insgesamt habe ich 12 Tage lang nichts gegessen. Am Ende gibt es dann noch zwei Aufbautage. Da wirst du dann langsam wieder ans Essen rangeführt mit so ekligem Zeug. Das ist magenschonend, und somit wirst du wieder ans Essen gewöhnt. Dann wirst du entlassen und sollst eigentlich zwei Wochen lang möglichst kein Fleisch essen, keinen Alkohol trinken, also quasi auf Schonkost bleiben.
Hast du dich daran gehalten?
T: Ich glaube, ich hab mich sogar ziemlich straight daran gehalten. Ich hatte zwar voll Bock auf so Cräcker und Burger und so was. Das kommt auch im Buch vor. Aber ich hab mich wirklich erst mal noch daran gehalten und war zwei Wochen richtig brav.
Hattest du ein Einzelzimmer?
T: Nee, das gibt es wohl, aber wir waren anfangs zu Zweit auf dem Zimmer und später sogar zu Dritt.
Und nur eine Toilette? Das stelle ich mir nach dem Einnehmen vom Glaubersalz schwierig vor…
T: Nee, da gibt es ja mehrere noch auf dem Gang. Man kann sich da so ein Schild aufhängen, dass das Klo gerade für eine Behandlung benutzt wird. Damit ist es gesichert, denn man muss ja alle zwei Tage noch einen Einlauf machen… (kicher)
Kann man sich das Buch denn im Allgemeinen so vorstellen – mit detaillierten Angaben?
T: Na, eher mit kurzen Beschreibungen. Es ist ja schon inspiriert von einem meiner Lieblingsbücher „Tagebuch eines Trinkers“ von Eugen Egner – und so in der Art ist es eigentlich auch geschrieben. (Egner schreibt wie „Kafka unter LSD“, findet das Schweizer Nachrichtenmagazin Facts).
Und du hast es während deines Aufenthalts dort geschrieben?
T: Das Tagebuch selbst hab ich währenddessen geschrieben. Alles, was ich tagsüber erlebt habe, hab ich meistens abends aufgeschrieben. Oder sonntags, da war in der Klinik nichts zu tun. Ich hatte ja zwei Sonntage, und da hab ich dann immer von der Woche davor alles aufgeschrieben. Das Vor- und das Nachwort habe ich dann zu Hause geschrieben. Aber das Tagebuch selbst, das war alles vor Ort und ich habe auch nichts mehr dran verändert.
Wie ist der Altersdurchschnitt in der Klinik?
Einige waren jünger, die meisten aber ein gutes Stück älter als ich. Rheuma und Arthrose haben in der Regel überwiegend ältere Leute.
Ernährst du dich denn jetzt generell gesünder? Bei Facebook hast du mal nach einer Milchalternative gefragt.
T: Ja, also ich bin jetzt kein ausschließlicher Veganer, aber zu Hause essen wir eigentlich nur vegan. Wir kaufen keinen Käse, keine Wurst, keine Milch… Das soll für die Krankheit auch gut sein. Ob es wirklich hilft, kann ich gar nicht sagen, weil auch immer wieder ein Medikamentenwechsel stattfindet. Schaden kann es jedenfalls nicht. Wenn ich unterwegs bin, ist das anders. Das hängt bestimmt ein bisschen mit meiner Faulheit zusammen, aber ab und zu esse ich auch mal gerne einen Burger. (freu)
Auf der anderen Seite sympathisiere ich aber mit der veganen Ernährung, also der Tatsache keine Tierprodukte zu essen…
So lange es nicht missionarisch wird…
T: Ja, genau, aber ich finde, mittlerweile sind die Veganer gar nicht mehr so schlimm wie früher. Da waren das ja so richtige Nervbolzen, jetzt sind bei Diskussionen ja eher die Fleischesser die Trottel.
Oder aber die ehemaligen Fleischesser, die dann zu totalen Idioten mutieren, wie gerade auch das Beispiel von Andreas „Bär“ Läsker zeigt, der hat Frank Zander bei Facebook angemacht (Der Manager der Fantastischen Vier kritisierte auf Facebook: „Ganz toll, Herr Zander. Das bedeutet, viele hundert Gänse mussten ihr Leben lassen. Aber jetzt ist er wieder ein Held. Die Obdachlosen hätten sich auch über vegane Buletten mit dunkler Soße, Rotkohl und Kartoffelknödel gefreut. Und über einen Mandelmilch-Zimtpudding hinterher. Und kein Tier hätte sterben müssen“).
T: Ja, das ist total idiotisch. Da organisiert Frank Zander für die Obdachlosen vor Weihnachten ein Essen. Das macht er ja schon so lange, damit die auch mal leckere Weihnachtsgans bekommen – und dann kommt dieser Trottel und sagt, da hättest du auch was Veganes hinstellen können… Ja, hätte er, aber mit Sicherheit sehnen sich die Leute genau nach so einem Stück Fleisch und freuen sich ein Jahr lang darauf… Das war wirklich ne ganz schöne Trottelaktion. Man sieht ja auf seiner Facebook-Seite, dass es da um nichts anderes geht. Der postet auch ganz viel von Peta – und Peta hasse ich ja wie die Pest. Die betreiben massiv Holocaustrelativierung. Die vergleichen das ständig mit Judenvernichtung. Da gab es ja sogar mal einen Videoclip mit Thomas D., der da gesprochen hat und aus dem Inneren eines Zuges aus einem Schlitz guckt. Die Judendeportation sollte die Synapse sein – das ist einfach unfassbar und geht so gar nicht.
In den 80ern gab es ja schon Straight Edge (eine Bewegung, die aus der Hardcore Punk-Szene kommt. Dabei geht es um den Verzicht von Drogen, Alkohol, Tabak und häufig wechselnden Geschlechtspartnern. Viele hatten auch gar keinen Sex).
T: Genau. Als Teenager war ich auch mal kurz dabei. Ich glaube, zwei oder drei Jahre hab ich das mal gemacht. Das hätte ich mal lieber nicht machen sollen. Danach hab ich dann nämlich alles genommen, was ich in die Finger bekommen habe. Das ist dann leider alles genau ins Gegenteil gekippt. Im Nachhinein dachte ich mir, wäre es vielleicht besser gewesen, nicht Straight Edge gewesen zu sein. Aber, egal, das gehörte irgendwie dazu. (grins)
Muss man auch mal ausprobiert haben, vielleicht…
T: Als ich ganz jung war, da kamen halt diese ganzen Straight Edge Bands, wie Minor Threat, Youth of Today… Und Gorilla Biscuits. Das war meine große Liebe, ich war ein totaler Fan. Und in diesem Zuge musste ich als Hardcore-Kiddie eben mal selber Straight Edge sein.
Gibt es die Bewegung heute eigentlich auch noch?
T: Ja, wobei das damals dann auch schon gekippt ist. Viele von denen sind ja Hard-Edger, solche Lebensschützer geworden, also so richtig vertrottelt und religiöse, wilde Krishnas. Das fand ich dann immer schon scheiße.
Und noch kurz zu eurem aktuellen Song „Hallo, Provinz“. Da haben sich schon einige Interessierte gemeldet.
T: Ja, jemand von Die PARTEI kam bei uns an und hat gefragt, ob er den Song für den Wahlkampf verwenden kann. Aber ich glaube, wir machen das eher nicht. Ich bin ja eigentlich kritisch-solidarisch der PARTEI gegenüber. Ich kenne da viele Leute und die mag ich auch, aber mehr will ich mich da gar nicht einbringen. Das kommt ja auch im Buch vor. In der Klinik hatte mich Jutta Ditfurth angerufen und mich gefragt, ob ich nicht für die ÖkoLinX (Ökologische Linke) hier in Kreuzberg kandidieren möchte. Aber das konnte ich auch nicht zusagen. Also, so Parteien gehen eigentlich gar nicht, deshalb will ich auch nicht, dass ein Song von uns parteipolitisch verwendet wird. Auch wenn Die PARTEI schon n bisschen anders ist.
Ich find die ja auch teilweise ganz gut, aber das Serdar Somuncu sich als Kanzlerkandidat aufstellen lässt, ist auch schon wieder zuviel…
T: Ich hab da so ein bisschen ein gespaltenes Verhältnis dazu, ich bin schon solidarisch und lass die auch immer auf die Konzerte rein, damit die Unterschriften sammeln können, aber ich muss da nicht mitmachen.
Dann lieber die Theatergruppe, die auch angefragt hat?
T: Ja, genau. Das finde ich wiederum super. Die wollen den Song in ihr Bühnenstück integrieren. Das ist ne Laiengruppe und dann hab ich denen schon gesagt, das sie den Song nutzen dürfen. Wenn es jetzt ein kommerzielles Ding gewesen wäre, dann hätten sie natürlich schon zahlen müssen. So finde ich das gut.
Ist ja auch ein Hit.
T: Das freut mich. Danke.
Jetzt füllt sich hier schon langsam der Raum. Noch eine letzte Frage, gibt es schon Pläne, ein Thema für das nächste Buch?
T: Ja, gibt es. Ich hatte damit Anfang des Jahres eigentlich auch schon angefangen, aber dann hab ich einen total krassen Rheumaschub bekommen und konnte nicht mehr schreiben. Da ging es mir zwei Monate echt schlecht – und da geht gar nichts mehr. Da sind diese beiden Hände einfach nur da und ich kann nichts machen und hab nur Schmerzen. Deshalb hatte ich mich ja auch für die Fastenkur entschieden. Und diese Schübe können jederzeit losgehen. Ich muss dann massenweise Kortison in mich reinstopfen und quelle davon auf. Dann bekomme ich Diabetes von dem ganzen Kortison, das ist dann richtig die Hölle, bis die Medikamente wieder alles einigermaßen richten. Dann muss ich mich langsam vom Kortison wieder runterkämpfen. Das ist für den Körper schon kacke, aber das passiert halt. Kann sein, das ich morgen aufwache und dann ist ein Schub da. Damit muss ich halt leben.
Dann auf jeden Fall nächstes Jahr wieder Fastenkur und ein neues Buch. Vielen Dank und vor allem alles Gute für deine Gesundheit, aber auch die kommende Lesetour.
T: Ja, ich bin sehr gespannt.
Zwei Zitate aus dem Film „Dumm & Dümmer“: „ Da spachtelst du gemütlich nen Burger und im nächsten Moment futtern die Maden an dir.“
„Ich hab die Schnauze voll von diesem Kaff … Wir haben nichts zu fressen, wir haben kein Job, unserem Wellensittich fällt der Kopf ab.“
Die Lesereise geht erst richtig los. Also, ich würde noch mal hingehen:
01.02.2017 Flensburg – Volksbad
02.02.2017 Hamburg – Hanseplatte
03.02.2017 Rostock – Peter-Weiss-Haus
04.02.2017 Leipzig – Institut für Zukunft
06.02.2017 Dresden – Altes Wettbüro
07.02.2017 Mainz – Hafeneck
08.02.2017 Köln – Wohngemeinschaft
09.02.2017 Oberhausen – Druckluft
10.02.2017 Nürnberg – Club Stereo
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- Copyright Cover Bild: Torsun Burkhardt
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