Tom Hessler: „Ich finde, Musik, die heutzutage im Radio läuft, ist genauso wie der McDonald’s-Cheeseburger in Sachen Ernährung.“

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Ich treffe Tom Hessler von der Band Fotos zum Kaffeeklatsch in Kreuzberg. Die Kuchenauswahl bei Mr. Minsch ist wirklich sehr zu empfehlen. Tom entscheidet sich für den Johannisbeerstreusel und ich nehme die Limonentarte mit Baiser. Später gibt es dann noch ein überdimensionales Stück Eierlikörtorte.

Tom ist nicht nur ein leidenschaftlicher Musiker, sondern auch jemand, der sehr gerne kocht und der das mit großer Begeisterung zelebrieren kann. Somit gelingt es ihm im Gespräch auch immer wieder wunderbar, die Hingabe zum Kochen mit dem Prozess des Musikmachens zu vergleichen. Während der Pandemie entdeckte er, wie so viele in diesen Zeiten, die Freude am Brotbacken und hat dafür nun den perfekten Sauerteighybrid gezüchtet.

Der Musiker und Produzent (u. a. der Gruppe Golf) hinterfragt aber auch viele Dinge, die man sonst vielleicht einfach hinnimmt oder vergisst. So sind zum Beispiel die sozialen Medien ein großes Thema bei ihm. Einerseits eine gute Entwicklung für Künstler*innen, wie auch Steve Albini schon mal erwähnte, aber doch auch immer mit Vorsicht und längeren Erholungsphasen zu genießen. Etwas kritischer betrachtet er auch die bejubelte Hitsingle von Danger Dan „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. „Er sagt offenbar, der Zweck heiligt die Mittel, und das finde ich gefährlich.“ Interessante Gedanken, die Tom gerne mit dem Songwriter persönlich ausdiskutieren würde. Vielleicht gibt es dazu ja noch mal eine kleine Diskussionsrunde mit Gebäck? Aber los geht es mit Konzerten. Endlich wieder Livemusik.

Eierlikörtorte bei Mr. Minsch

Wie war es denn, mal wieder live zu spielen? Das ist schon eine Weile her bei euch.

Tom: 2017.

Ach, schon so lange?

Tom: Beim letzten Album („Kids“). Und das war auch nur so eine kleine Tour. Man versucht, aus dem Erfahrungsschatz zu schöpfen und nicht immer die gleichen Fehler zu machen. Wir haben beim ersten, zweiten und auch dritten Album so richtige Ochsentouren gespielt, speziell in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Beim dritten Album haben wir dann gemerkt, auch wenn wir beim vierten Mal in Heidelberg aufschlagen, kommen dieselben fünfzig Leute. Wir sind eher eine Band, die in der Großstadt funktioniert: Hamburg, Köln, Berlin, und dann gibt es noch ein paar Ausnahmen. Aber die ganzen kleineren Städte konnten wir nie so richtig nehmen, und das kostete einfach unglaublich viel Energie. Deshalb haben wir 2017 gesagt, dass wir nur in den Städten spielen, die sich gelohnt haben, und ich meine jetzt nicht finanziell. Finanziell lohnt es sich meistens trotzdem nicht, aber für das Publikum und uns ist es ja auch schöner, wenn da entsprechend was zurückkommt. Also warum Energie da reinlegen, wenn du alles gibst, aber beim nächsten Mal trotzdem nicht mehr Leute zum Konzert kommen.

Verstehe, aber dann gibt es sicherlich auch einige Fans, die euch gar nicht mehr live sehen können, weil ihr nicht in deren Stadt oder näheren Umgebung spielt.

Tom: Ja, das gibt es auch, aber es gibt trotzdem noch kleinere Auftritte.. Das Konzert in Oberhausen kam von einem Veranstalter (Indie Radar Ruhr), der 2017 in Köln im Underground auf unserem Konzert war. Damals haben wir wohl miteinander gequatscht, und er hat daraufhin beschlossen, auch selbst mal Konzerte zu veranstalten. Inzwischen macht er viel im Ruhrgebiet und hat auch das Booking für die Band Dote übernommen, mit der wir dort gespielt haben. Es gibt Menschen, die nicht nur am Profit interessiert sind, sondern deren Herz für Indiemusik schlägt. Das merkt man auch in den letzten Jahren wieder. Es gibt noch diese kleinen, liebevollen Indieveranstaltungen.

Ich glaube, das wird auch niemals aussterben. Genau wie Vinylplatten. Ich habe eher den Eindruck, dass es zu wenig Booker oder Veranstalter gibt. Bands und Musiker kümmern sich immer mehr selbst um das Management und das Touren.

Tom: Das wird auch weiterhin in diese Richtung gehen. Durch Streaming wird immer weniger Geld verdient, es sei denn, es wird durch die Industrie aufgeblasen. Das heißt, wir kleineren Bands müssen generell immer mehr selbst machen. Das ist einerseits gut, weil wir dadurch unabhängiger werden, andererseits kommt man da auch schnell energietechnisch an seine Grenzen, wenn man das nicht untereinander aufteilt. Es ist halt buchstäblich ein teures Hobby, und mittlerweile ist es auch so, dass die Konzertbesucher*innen das wissen, und wenn man mit denen spricht, sagen sie: „Aber davon leben könnt ihr jetzt nicht?!“

Die meisten Musiker müssen nebenbei noch arbeiten. Da reicht auch der Plattenverkauf nicht mehr, und Spotify und Co. helfen sowieso keiner Indieband. Das habe ich eh nie verstanden, was genau dabei rumkommt.

Tom: Bei einem Lied, das so mittelmäßig läuft, also wenn man so 150.000 bis 200.000 Streams bekommt, können wir zu viert Mittagessen gehen und eine Flasche Wein bestellen, die dann aber auch 20 Euro kostet.

Yeah!

Tom: Da muss man sich überlegen, was könnte da eigentlich die Politik mal machen? Wie überall in der deregulierten Wirtschaft ist diese Entwicklung durch uns und Solidarisierung usw. nicht mehr aufzuhalten. Das ist im Interesse der großen verbliebenen Majors. Das wird zwar nie kommuniziert, aber die verdienen mehr Geld als jemals zuvor. Da wurden frühzeitig Deals gemacht, bei denen die sich die Kohle gegenseitig hin und her schieben oder die Streams hin und her schieben gegen Katalogrechte. Da können wir Kleinen gar nicht mehr dran rütteln, aber man kann sich dem auch nicht verschließen. Je mehr Leute durch Streaming die Musik konsumieren, umso weniger kann man sich dem verweigern.

Aber ob da die Politik was tut, bleibt doch fraglich. Das hat man jetzt auch schon während der Pandemie gesehen, obwohl es da ja schon auch Unterstützung gab.

Tom: Es ist schon erstaunlich, wie schnell wie viel gemacht werden kann. Das hat mir die Pandemie gezeigt, theoretisch.

Das stimmt, plötzlich war das Geld da …

Tom: Die Soforthilfe gibt es, das sieht man ja jetzt auch bei der Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz. Ich meine, da gibt es jetzt auch wieder die generelle deutsche Schwarzsehmentalität. „Wir müssen hier alles selbst machen“, das habe ich heute wieder in irgendeinem Kommentar gelesen. „Der THW ist gar nicht vor Ort.“ Dabei sind gestern auf der Autobahn bei unserer Rückfahrt aus Oberhausen mindesten 80 THW-Fahrzeuge vorbeigefahren, also das kann schon mal nicht stimmen.

Aber zurück zur Musik … Man muss auf jeden Fall mehr selbst machen, eigentlich muss man alles selber machen, wenn man tatsächlich ein bisschen Geld damit verdienen will.

Dann müsstest du auch dein eigenes Label gründen …

Tom: Genau. Und eigentlich kannst du dann sagen, ich mache eine superkleine Auflage Vinyl, wenn überhaupt. Auch hier wieder: Für ein paar Hundert verkaufte Platten machst du das nicht für den Profit.

Eben, das A und O ist doch nach wie vor das Touren, und das existierte ja eine lange Zeit nicht, und wenn das dann auch noch wegfällt …

Tom: Sehr gut ist dann natürlich die Förderung von Initiative Musik und Neustadt Kultur. Die tun tatsächlich richtig viel.

Euer Album „Auf zur Illumination“ wurde auch gefördert?

Tom: Genau. Und das ist auch superwichtig, weil dadurch extrem viel Musik veröffentlicht werden kann und eine Infrastruktur, eine Hoffnung für die nichtkommerziellen und nicht so erfolgreichen Musiker*innen bleibt. Genau wie für Clubs, die vielleicht sonst nach einer Pandemie hätten klein beigeben müssen. Das ist schon richtig gut, aber andererseits: Will man jetzt, dass diese ganzen Mainstreamstrukturen auch komplett gefördert werden, oder will man da nicht mal lieber nachhaltiger überlegen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, dass Geld, das dort in die Musik fließt, vom Konsumenten auch tatsächlich wieder bei den Leuten landet und nicht auf irgendwelche Digitalplattformen, von denen internationale Großkonzerne profitieren? Das ist aber ein globales Thema, was die Wirtschaft angeht. Das haben wir gerade mit der Steuer für Amazon, Google oder dem Einzelhandel, der ausstirbt. Momentan betrifft es vor allem die kreativen Musiker*innen und Künstler*innen, aber das wird über kurz oder lang auch ganz vielen anderen Leuten so gehen. Der Müllmann wird irgendwann auch nicht mehr die Tonne abholen, sondern das wird dann eine Drohne erledigen. Auch das Flugzeug wird von selbst fliegen … Wenn gerade diese elitären Berufe, wie Piloten, auch noch verschwinden, dann wird es da sicherlich noch mal einen ganz anderen Aufschrei geben.  

Bei der Lufthansa geht das auch schon los.

Tom: Da hat man noch nicht so viel von mitbekommen. Das wird jetzt noch so getragen, weil da Kündigungsschutz und tarifrechtliche Sachen dranhängen. Generell hat man schon das Gefühl bekommen während der Pandemie, dass Künstler*innen von unserer Regierung so behandelt werden wie ein Kind in der Familie, das ein tolles Talent hat, aber nicht wirklich etwas beitragen kann. So nach dem Motto: „Ich finde schon super, was du machst, aber du bist nicht der Bruder, der Arzt oder Ingenieur ist. Hier hast du ein bisschen Kohle, damit du hier durchkommst und jetzt geh mal weg, denn die Erwachsenen machen jetzt mal den richtigen Job.“ Das ist das Gefühl, das einem die CDU/CSU gibt und die FDP sowieso, um mal ganz explizit zu sein. Von der AfD brauchen wir erst gar nicht anfangen. Das Gefühl ist schon speziell. Auch dass wir die ganze Zeit die fetten Social-Media-Plattformen füttern müssen, jetzt auch noch Geld für bezahlte Werbung aufbringen müssen, damit unsere Postings überhaupt noch sichtbar werden für Abonnent*innen.

Der Druck, der dahintersteht, wird jetzt durch die Pandemie noch mal richtig deutlich. Da muss man ein dickes Fell haben. Man hört jetzt aber auch immer mehr, dass viele die Branche gewechselt haben, also auch die Menschen, die hinter den Kulissen arbeiten. Die haben einfach für sich und ihre Familien keine Zukunft mehr gesehen.

Tom: Das ist eine Entwicklung, die sich noch verschärfen wird. Es ist nicht mehr möglich, damit zu überleben. Außer du bist die Band der Stunde. Dann bist du gerade mal Anfang zwanzig, wenn der Lebensentwurf es zulässt, bevor du anfängst zu studieren oder vielleicht hast du gerade studiert und diese Platte gemacht und es passiert etwas Herausragendes. Ich hatte auch mal so eine Phase bei unserem ersten Album („Fotos“ von 2006 ). Dann hat man eh dieses Gefühl, ich kann jetzt noch zwei Jahre machen, worauf ich Bock habe, und dann tourt man viel und dann kommt genug Geld rein, um damit durchzukommen. Aber Musiker*innen Mitte, Ende dreißig, vierzig oder vielleicht sogar Ende vierzig, da lässt es der Lebensentwurf gar nicht mehr zu. Da kommt man schnell an eine prekäre Grenze.

Letztendlich war das aber schon immer so bei Indiebands. Du musstest nebenbei immer noch einen anderen Job machen, weil sonst kamst du sowieso nicht über die Runden.

Tom: Das stimmt. Oder du hast dir zwischen den Alben ein Zubrot verdient. Das Schöne daran ist, dass man immer unabhängiger wird. Und was für mich auch eine positive Sache ist, so bitter es klingt. Diejenigen, die noch die Leidenschaft und Energie aufbringen, was zu machen und rauszubringen, die haben … Oder anders gesagt: Es ist klarer dechiffrierbar, wer das Ganze wegen der Kohle macht und wer es macht, weil er einfach Bock auf Musik hat.

Genau.

Tom: Es gab ja eine Zeit lang Vermischungen aus subkultureller Indiemusik und Indie-Major-Musik. Es gab noch ganz viele Indie-Major-Label, Ende der 1990er, die aus den 1980ern rausgewachsen waren, als man immer noch genug mit Indiemusik verdienen konnte. Das hat sich jetzt geändert. Die, die jetzt noch da sind, ein Label wie Staatsakt, da weißt du einfach, dass es zu 100 Prozent um Musik geht. Es gibt ein paar wenige, wo noch Indie draufsteht, aber das ist eine Vermarktungsstrategie der Majors. Wenn du bei Spotify eine Playlist wie „Indie aktuell“ checkst, dann sind da Bands, die als Indie bezeichnet werden, die für mich auf jeden Fall ein ganz anderes Etikett verdient hätten.

Das habe ich mir noch nie angeschaut, bin da aber auch nicht so unterwegs.

Tom: Das, was wir hier so besprechen, klingt ja alles sehr dark, aber ich sehe das auch durchaus positiv. Es gibt allerdings Potenzial, Dinge zu verbessern.

Positive Gedanken sind auf jeden Fall wichtig. Das hat uns das letzte Jahr in der Pandemie auch gezeigt. Viele waren wie erstarrt, so fühlte ich mich auch anfangs, andere wiederum waren sehr aktiv oder aber auch entspannt. Jeder geht da anders mit um. Man könnte theoretisch zombiemäßig und nur heulend rumlaufen, aber ich finde auch, dass man sich da nicht zu sehr reinsteigern darf. Das gelingt nicht immer, aber du hast die kontaktlose Zeit, wie viele andere Musiker, ja sehr kreativ genutzt, und daraus entstand das wunderbare Fotos-Album „Auf zur Illumination“.

Tom: Die Presswerke sind für Monate im Voraus ausgebucht, habe ich gehört. Das betrifft mich auch mit meinem Soloalbum von Der Assistent „Neue Lunge“, das jetzt geplant ist. Gibt mir natürlich auch mehr Zeit, andererseits ist es schon schräg.

Das ist irre. Wann sollte das Album denn rauskommen?

Tom: Eigentlich wollte ich das jetzt direkt im Januar machen. Also, ein Jahr nach dem Fotos-Album, wobei das ja nie als Fotos-Veröffentlichung geplant war. Das war einfach Musik, die in dieser Zeit entstanden ist. Die Jungs sind mittlerweile alle Väter geworden und haben alle Hände voll zu tun. Ich habe nur zwei Katzen, und da ist es einfacher, noch viel Zeit für Musik zu finden. Als die Gehsteige in Neukölln hochgeklappt wurden und es von heute auf morgen sogar an einem Montagmorgen ruhig war. Das war so eine Spezialatmosphäre. Das hat fast zu inneren Euphorieschüben geführt. Man hatte diese leicht morbide Faszination einer präapokalyptischen Atmosphäre vor der Tür. Das hat auch bei mir positive Energie freigesetzt …

So wird es nie wieder …

Tom: Ja, vielleicht, oder anders gesagt, was zählt denn jetzt eigentlich wirklich für mich? So habe ich meine komplette Tagungsplanung klar strukturiert in: sehr früh aufstehen, Kaffee machen, erst mal angefangen, Texte zu schreiben, von acht bis zehn Uhr, und dann angefangen, Musik zu machen. Abends habe ich dann auch gar nicht mehr ferngesehen, keine Serien geschaut, sondern nur gelesen, weil es so schön ruhig war. Man hatte auch den ganzen Tag über nicht das Gefühl, so überfrachtet zu sein mit verschiedenen Dingen, wie hier ein bisschen Job, um Geld zu verdienen, ein bisschen Selbstverwirklichung und dann diese oder jene Leute treffen, ins Restaurant oder zu Konzerten gehen … Es war alles weg. So war man abends nicht so überlastet mit Eindrücken, um dann zu denken: Ich kann jetzt nur noch Serien gucken. Im Gegenteil: Wenn man dann mal den Fernseher anmachte, sah man nur diese Statistiken und Zahlen aus der Pandemie. Meine Gegenreaktion war dann so eine Art Meditation, Selbstfindungsphase und mich nur noch aufs Lesen, Schreiben und Musizieren konzentrieren. Und noch meine Katzen und meine Freundin.

Das reicht eigentlich auch.

Tom: Ich habe übrigens auch den Move gemacht wie viele weiße westliche Männer und habe mich mit Sauerteigbrot beschäftigt.

Haha, das fand ich auch irre. Ich habe immer schon mal Brot gebacken, okay, ohne lange Sauerteigexperimente, aber dieser plötzliche Boom und keine Hefe mehr in den Regalen, das war schon verrückt.

Tom: Das war ein Zufall, dass eine gute Freundin mir ihren Sauerteig gegeben hat. Den hatte sie von einer anderen Freundin, angeblich ist der zweihundert Jahre alt und aus Island. Das sind so Mythen, die dann um Sauerteige kreisen.

Das habe ich auch noch nie gehört, aber okay, wieso nicht. Dann muss das Brot aber auch wirklich sehr gut schmecken?!

Tom: Es ist ein super Sauerteig. Aber auch sehr sauer, was für das Alter spricht, und ich habe mich, um da mal kurz abzunerden, mit dem Thema süßlicher Sauerteig, Lievito Madre, also dem italienischen, beschäftigt und jetzt eine Art Hybrid erschaffen aus diesen beiden, und das ist jetzt mein Custom-Supersauerteig.

Wow, das klingt gut. Dafür braucht man allerdings auch sehr viel Zeit und Ruhe.

Tom: Es braucht wie bei der Musik eine klare Struktur. Das ist dann wie so ein Mitbewohner oder ein Wesen, das mit dir lebt. Je regelmäßiger du dieselben Abläufe einhältst, ihn fütterst, ihm Wärme gibst und ihn nicht nur im Kühlschrank stehen lässt, also wenn du ihn immer wieder aktivierst, desto happier ist er buchstäblich und du riechst es an dem Sauerteig. Je ausgeglichener die sind, ähnlich wie das im Leben der Menschen ist, desto gesünder kann man dann auch Brot oder Musik hervorbringen (lacht).

Kaffee und Kuchen gehören zum Gespräch dazu

Das werde ich genauso zitieren. 

Tom: Totaler Buddhismus eigentlich hier. Ausgeglichenheit als oberste Priorität.

Das ist ja generell kochen.

Tom: Voll. Meine Freundin und ich kochen sehr gerne. Sie hat jetzt sogar über die Pandemie ihr Suppen-Pop-Up ausgebaut. Das gibt es im Arkaoda, Khao Soi. Das ist eine thailändische Suppe.

Ah, sehr gut, und das ist sicherlich auch nicht so einfach (Anmerkung vom Schleckermäulchen: Inzwischen habe ich die Khao Soi übrigens getestet und die schmeckt wirklich sehr gut).

Tom: Daran arbeitet sie jetzt seit eineinhalb Jahren, und es wird immer besser und ist ein ständiger Prozess. Die Vorbereitung der Sachen vor dem eigentlichen Kochprozess ist ein total meditativer Vorgang, der mich superhappy macht. Das beginnt mit dem Einkauf, dem Riechen und dem Aussuchen. Ich kaufe auch oft saisonale Sachen und entscheide erst später, was ich damit mache. Da kann man dann kreativ sein und Rezepte, die man im Kopf hat, verändern. Ich koche auch gerne für Freunde und Gäste, das schätze ich sehr. Das gehört schon dazu.

Kochst du denn auch für dich allein? Klar, ich koche auch gerne für Freunde, aber ich finde es auch sehr befriedigend und belohnend, was Leckeres für mich selbst zu kochen.

Tom: Ja, ich koche auch schon mal für mich allein. Gerade die großen Köche essen zu Hause nur die Gefrierpizza. Aber ich muss schon sagen, den größten Spaß habe ich, wenn es eine gemeinschaftliche Sache wird.

Dann bekommt man auch direktes Feedback, wie lecker es war und wie viel Mühe man sich gemacht hat. Kochst du mit oder eher ohne Rezeptbuch?

Tom: Ich habe immer eine Reihe von Rezepten, die mich interessieren, aber die modifiziere ich ständig. Bis auf ein paar Klassiker.

Aus der italienischen Küche?

Tom: Ich war superlange in der französischen Küche unterwegs, aber seitdem ich viel weniger Fleisch esse, macht es nicht mehr viel Sinn, diese Reduktionen aus irgendwelchen Brühen herzustellen, weil man dafür ja ziemlich viele Tier braucht.

Das Tier kann man aber auch wunderbar durch Pilze ersetzen.

Tom: Das stimmt. Da ist meine Freundin das beste Beispiel mit der Grundlage für ihre Khao Soi. Wir haben irgendwann mal festgestellt, dass man die auch vegan herstellen kann, wenn man Pilze benutzt, und am Ende schmeckt die Brühe viel besser und man braucht gar kein Fleisch.

Da gibt es doch den Sternekoch Horváth hier am Paul-Lincke-Ufer. Der macht sehr viel mit Pilzsud (Hallo, Martin Seeliger. Er liebt Pilze!), und das ist ganz fein und sehr lecker. Das habe ich mir mal vor ein paar Jahren gegönnt.

Tom: Wollte ich auch mal hin, aber eben noch erzählt, wie schwer es ist, als Musiker über die Runden zu kommen, und dann geht der immer schön ins Sternerestaurant … Also, ich würde schon sehr gerne, aber das ist dann doch preislich eine andere Liga.

Auf der anderen Seite gibt es in Berlin und besonders auch hier in Neukölln oder Schöneberg so viele leckere und auch günstigere Restaurants.

Tom: Aber auch da wieder das Thema: Es ist so schwer zu überleben mit Essenkochen. Also, wenn du ein Restaurant hast und auch Wein, Cocktails und Longdrinks verkaufen kannst, dann geht das ganz gut. Wenn der Laden läuft, dann läuft es. Aber aufwendiges Essen zu kochen und zu verkaufen ist eigentlich eine Nullnummer. Das ist mit Musik nicht anders. Heutzutage läuft das mit zehn Mann im Fließbandprozess, die immer wieder die gleichen Plug-ins benutzen, um mit superfitten Studiosänger*innen eine Plastikmusik zu schaffen, die immer wieder in denselben Radioformaten laufen kann. So kann halt Geld generiert werden. Ich finde, Musik, die heutzutage im Radio läuft, ist genauso wie der McDonald’s-Cheeseburger in Sachen Ernährung. Superviele Leute beißen da rein, und alle so: Wow, schmeckt ja super, Zucker, Geschmacksverstärker, yeah. Ich weiß nicht, wann du den letzten Burger bei McDonald’s gegessen hast, aber nach wenigen Minuten schon fühlt man sich so ein bisschen mies, leicht vergiftet, und wenn der Zuckerrausch aufhört, denkst du: Habe ich überhaupt was gegessen?

Das ist es, man hat sofort wieder Hunger und ist null befriedigt. Schlimmer Fraß und so teuer.

Tom: 1 Euro kostet der oder 99 Cent …

Na ja, gut, aber wenn man sich so ein Menü holt. Ich war seit Jahren nicht mehr bei denen, und seitdem ich in Berlin lebe, gibt es sehr viel bessere Burger-Buden. Abgesehen davon bin ich jetzt aber auch kein großer Burger-Fan.

Tom: Bei 1 Euro, da kann man sich ja vorstellen, was da drinnen ist …

Nichts. Selbst das Fleisch, das angeblich von glücklichen Kühen kommt …

Tom: Aber siehst du die Verbindung zwischen einem Stream von so einem Lied, das 0,003 Cent bringt, und die 99 Cent von einem Cheeseburger? Es macht nur dann Sinn, was die Rentabilität angeht, wenn unfassbar viele Leute sich dieses ungesunde Lebensmittel oder diesen Trash-Song reinziehen, dann verdient ein großer Konzern sehr viel Geld damit. Aber wenn du jetzt ein kleines Restaurant hast, dann kannst du erstens nicht einen Cheeseburger für 99 Cent herstellen und zweitens, selbst wenn du es könntest, hast du keine Milliarde Leute, die den kaufen. Also kommt das für dich nicht infrage. Und wenn du was Nachhaltiges produzierst wie eine Platte, die man sich vielleicht auch noch in zehn Jahren anhört, die vielleicht im Kontext auch noch mal einen anderen Sinn ergibt, dann ist es sehr viel schwerer, den Leuten begreiflich zu machen, warum die jetzt so und so viel Geld kostet und die andere halt nur im Streaming sinnvoll ist.

Mir ist aber auch nach wie vor ein Rätsel, warum McDonald’s und Co. immer noch so beliebt sind.

Tom: Weil es süchtig macht. Das ist genauso bei Instagram. Den Prozessen, die da installiert sind, kann man gar nicht widerstehen. Ich merke das bei mir selbst. Bei einem Cheeseburger fällt es mir leichter, Nein zu sagen, aber wenn ich jetzt die sozialen Medien benutzen muss, gezwungenermaßen, um mein Album zu promoten, weil selbst das Label sagt, dass es der einzige Weg ist, dann merke ich, dass durch diese Regelmäßigkeit der Nutzung bei mir das Bedürfnis entsteht, ständig zu gucken, ob was passiert ist. Wie viele Likes es gibt, ob der Post funktioniert hat, damit das Album vielleicht auch mehr Leute erreicht. Ich spüre denselben Suchtfaktor wie früher, als ich geraucht habe. In dem Moment, wo du die Zigarette aus der Packung holst und rauchst, merkst du eigentlich, wie scheiße das ist, und genauso ist das mit Instagram. Da können einem die Jugendlichen eigentlich nur leidtun.

Damit wachsen sie halt auf, wobei es auch noch viele gibt, die sich mit Insta und Co. gar nicht beschäftigen.

Tom: Wie heißt das, wo man gamen kann und auch chatten … Twitch. Mein kleiner Neffe macht das, und der ist dabei wie absorbiert. Der ist nicht mehr erreichbar. Da ist man so schnell drin. Kinder aus allen sozialen Schichten, egal. Auch Eltern, die sich größte Mühe geben, immer da zu sein, und sich um ihre Kinder kümmern, haben plötzlich ein Kind, das bei Fortnite komplett absorbiert ist und nichts anderes mehr macht. Das ist supercreepy.

Klar, die bekommen das natürlich aus der Schule mit oder von älteren Geschwistern. Ich finde auch, da muss man aufpassen, gerade auch bei den sozialen Netzwerken, aber die sind ja nicht durchweg schlecht.

Tom: Na ja, gut, wenn man die Hintergründe im Kopf hat, also was ich vorher schon meinte. Klar, es ist eine begrüßenswerte Entwicklung. Steve Albini hat vor ein paar Jahren mal gesagt, dass er das alles durchweg super findet, wie selbstbestimmt und unabhängig wir Musiker jetzt sein können durch diese Möglichkeiten, die das Internet, diese Vernetzung bietet. Dass man eben diese ganzen Major-Konzerne umgehen kann. Vollkommen richtig. Aber was man natürlich vergisst, ist, dass diese Seiten, Apps, Konzerne, was auch immer, im Hintergrund kontrollieren, wer von den Leuten wirklich gesehen wird und wer nicht. Vor allem die, die mehr bezahlen, bekommen mehr Zuspruch. Es gibt natürlich immer die Ausnahmen, die da durchkommen, weil die gerade so hot sind, aber generell ist es doch eine fragwürdige Entwicklung, dass da jemand sitzt, der das doch wieder kontrollieren kann. Es ist schon so, dass sich dabei sehr viel Musik durchsetzt, aber vieles auch nicht.

Das stimmt schon.

Tom: Ich will damit nur sagen, dass man diesen Konzernen so ein bisschen Einhalt gebieten muss. Mehr Solidarität unter den Künstler*innen wäre, glaube ich, gut …

Das ist auch ein wichtiger Punkt. Gibt es das eigentlich noch?

Tom: Wahrscheinlich gab es das noch nie so, wie es eigentlich sein müsste, um sich gegen diese Monopolisten zu wehren. Das liegt vielleicht ein bisschen in der Natur des Musikers, der Musikerin oder auch von Künstler*innen, dass man eben sehr stark fixiert auf das eigene Werk agiert und in dem Moment, wo die Leute durch die Decke gehen und sehr erfolgreich sind, gibt es nur wenige, die sich dann überlegen: Oh, jetzt könnte ich eigentlich was für die Community machen.

So was wie: Hey, ich nehme dich mit auf Tour …

Tom: Oder ich gründe ein Label. DJ Kotze macht Pampa, weil er als DJ so viel Geld verdient und er eigentlich was braucht, um Geld auszugeben, damit er nicht so viel Steuern zahlen muss. Das hat er selbst mal erzählt, auch als Joke, aber es ist tatsächlich so, es gibt keinen besseren Weg, heutzutage Geld rauszuballern, als wenn man ein Label gründet, um coole Musik rauszubringen.

Aktuelles Beispiel das Album von Danger Dan „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Die Platte ist auf dem Label der Antilopen Gang rausgekommen (Antilopen Geldwäsche) und mit dem Erfolg hatte wohl auch keiner gerechnet.
Gut, das ist jetzt kein Vergleich zu DJ Kotze, aber letztendlich alles richtig gemacht.

Tom: Das ist erstaunlich, wie erfolgreich das geworden ist.

Hat mich auch gewundert, aber ich mag es wirklich sehr.

Tom: Mein einziges Problem mit dem Hit („Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“) ist, dass da ja auch ein bisschen „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Haltung drin ist. Natürlich aus der linken Perspektive, und er sagt am Ende, „das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“, aber er ruft zwischenzeitlich zu Gewalt auf gegen rechts, und das ist heutzutage natürlich gefährlich, wo ja von rechts so hart geframt wird. Da muss man ein bisschen aufpassen, glaube ich, mit so einem Lied, weil das deshalb auch so viele Leute triggert, weil da eben diese Gewalt drinsteckt und dieses Ihr-könnt-mir-nichts. Und das ist eigentlich nicht so viel besser. Darüber würde ich auch gerne mal mit Danger Dan diskutieren. Die Böhsen Onkelz argumentieren ja auch nicht anders. Oder Frei.Wild: „Bei uns geht es um Heimat, bei mir geht es nicht um Gewalt.“

Interessante These. Aber das wird ja schon häufiger diskutiert, dass man mit Nazis nicht reden kann, sondern denen gleich aufs Maul hauen muss. Du kommst halt mit Argumenten nicht mehr dagegen an, und dann hilft nur noch Gewalt sozusagen.

Tom: Genau, das ist eine Antifa-Haltung, schwarzer Block …

Und da kann man wiederum sagen, Gewalt ist auch keine Lösung …

Tom: Das ist zumindest meine Haltung.

Ich weiß jetzt nicht, ob Danger Dan nur noch mit Gewalt argumentieren will …

Tom: Er sagt offenbar, der Zweck heiligt die Mittel, und das finde ich gefährlich.

Dazu wird es schon auch kritische Äußerungen gegeben habe, denke ich.

Tom: Geht es um Kunst, oder geht es darum, die Kunstfreiheit auszunutzen, um Gewaltaufrufe auszusprechen? Aber bitte nicht falsch verstehen. Ich unterstelle ihm jetzt nicht, das mit Kalkül gemacht zu haben, aber das ist das, was mir daran nicht gefällt, und ich fürchte, dass das ein Grund dafür ist, warum diese einfachen Lösungen für komplizierte Fragen so eine große Response bekommen. Denn wenn man das wirklich in der Komplexität versuchen würde zu bearbeiten, das Thema rechte Gewalt, das auch tief in unserem Staat verwurzelt ist, siehe Polizei, dann ist es, glaub ich, weniger einfach, was dazu zu sagen. Warum ist etwas so schnell populär? Weil es eine einfache Lösung für eine komplizierte Frage bietet? Das verstehen die Leute. Populismus kommt an, und da habe ich meine Schwierigkeiten mit. Dass der Typ tendenziell auf der richtigen Seite ist, das steht außer Frage … Die Menschen sind halt wütend, auf beiden Seiten, und diese Wut zu triggern, finde ich schwierig.

Die Wut bemerkt man auch an sich selbst, aber ich finde, der daraus resultierende Hass breitet sich extrem schnell aus, um jetzt wieder auf die sozialen Medien zu kommen. Das finde ich sehr erschreckend, was da so abgeht, und letztendlich hat das ja auch schon mit Gewalt zu tun.

Tom: Ich denke da sehr viel drüber nach, wie man merkt, aber das ist natürlich so eine Sache, eine Monetarisierung von Ängsten und Wut. Das ist das, was passiert. Man treibt Mark Zuckerbergs Konzern, Aktie in die Höhe, indem man da mitspielt. Das System ist so aufgebaut, dass es dich auf die Palme bringt. Viele können damit dann auch nicht so gut umgehen, weil sie weniger reflektieren. Dir werden die Sachen angezeigt, die dich irgendwie triggern oder interessieren, und dann wirst du nur noch die Sachen sehen, die dich emotionalisieren, denn mit diesen Daten oder deinen Klicks klingelt die Kasse. Damit kann man Geld verdienen. Auch da wieder der McDonald’s-Cheeseburger. Das funktioniert. Da muss man sich die Frage stellen, ist das auf lange Sicht gut für die Gesellschaft, oder macht das eher krank? Auch dass etablierte Printmedien damit mittlerweile ihr Geld verdienen, links wie rechts. Supergefährlich. Alle werden dadurch noch wütender, dünnhäutiger und vor allem auch überreizter, und darum geht es ja auch in meinem Album, um da noch mal die Brücke zu schlagen. Um sich dem zu entziehen, zu besinnen, zu meditieren, wie auch immer: Sei gut zu dir. Ich habe aber auch selbst gemerkt, im zweiten Lockdown, dass es gar nicht so einfach ist. Beim ersten hatte ich noch was zu tun und mir gesagt, ich mache jetzt dieses Album, aber beim zweiten war ich damit beschäftigt, die Platte zu promoten, bei Instagram und Co. und war die ganze Zeit gestresst und überreizt. Das Einzige, was mich da noch geerdet hat, war Brotbacken.

In der Küche kann man sich wunderbar entspannen. Das ist nicht so einfach mit Instagram und Co. Es fällt mir auch oft schwer, da rauszukommen. Letztendlich müsste man sich dem Ganzen komplett entziehen.

Tom: Deshalb ziehen ja auch so viele aufs Land.

Ich weiß. Und ernähren sich von Wildschwein und Nüssen. Das ist aber auch keine Lösung. Um noch mal auf das Essen zurückzukommen. Wie war es jetzt auf der Konzertreise?

Tom: In den letzten Tagen waren wir ja mit dem Bus auf Tour, und ich habe es wieder gemerkt, wie extrem schwierig das eigentlich ist, sich unterwegs zu ernähren. In der Regel gibt es pro Tag einen Raststättenstopp. Die meiste Zeit haben wir versucht, mit Recups loszufahren und den Kaffee darin zu holen und immer eine Tupperdose dabeizuhaben. Morgens in der Unterkunft ein Brötchen schmieren, aber dann hältst du einmal in der Raststätte, weil du nichts mehr zum Essen hast, und danach ist der Bus voll mit Müll. Nach nur einem Stopp.

Stimmt, das ist nach wie vor eine große Lücke. Es gibt nur diese Rasthöfe oder eben MacDonald’s und Co.

Tom: Belegte Brote und Sandwich, alles eingeschweißt in diesen Plastikverpackungen. Eine Flasche Wasser kostet jetzt an der Tankstelle zwischen 3,99 und 4,99 Euro. Das ist obszön.

Das ist pervers. Gab es denn wenigstens ein gutes Catering bei den Veranstaltungen?

Tom: Das war sehr gut. Wir hatten in Regensburg eine sehr ambitionierte Cateringfirma, die komplett vegan ein fantastisch leckeres Catering hingestellt hat.

Es geht auch mal ohne Fleischbrocken auf dem Teller.

Tom: Wir sind auf der Autobahn auch wieder an so vielen Tiertransportern vorbeigefahren. Früher konnte man da noch reinschauen, jetzt haben die nur noch so Lüftungsanlagen auf dem Dach. Super gruselig.

Ein Wahnsinn, dieser Fleischkonsum. Nach wie vor gibt es einfach zu viel billiges Fleisch in den Supermärkten.

Tom: Ein Freund hat mir mal erzählt aus einem Artikel, den er gelesen hatte, dass wir in Deutschland so viel Schwein produzieren, dass wir das nach Osteuropa exportieren und in osteuropäischen Ländern die lokalen Fleischproduzenten nicht mithalten können, Pleite gehen und letzten Endes die Leute aus der fleischverarbeitenden Industrie in Rumänien oder Ungarn in Deutschland arbeiten müssen. Für Billiglöhne von Tönnies und Co. Da ist alles kaputt an diesem System und von einer Landwirtschaftsministerin Klöckner geschützt.

Pervers.

Tom: Wie du merkst, habe ich gerade Bock, über Politik zu reden, aber eigentlich sind wir ja hier, um über Musik zu reden.

Wir reden vor allem auch schon wieder sehr lange, was gut ist, aber ich wollte dich auch noch fragen, ob du dich an das „Wir sind Fucking Independent“-Festival erinnerst?

Tom: Wo war das denn noch mal?

In Köln, 2006, pünktlich zu eurem Debüt.

Tom: War das im Gebäude 9?

Nein, das war immer im Stereo Wonderland und im Blue Shell.

Tom: Ach ja, da haben auch Boy Division gespielt.

Genau, unter anderem, okay, daran erinnerst du dich nicht mehr so genau. Ist auch schon sehr lange her.

Tom: Im Blue Shell habe ich immer gerne gespielt. Ich liebe ja Köln. Ich hätte große Lust, nach NRW umzusiedeln. Ich habe viele Freunde in Köln und mag die freundliche und offene Art der Kommunikation immer sehr gerne.

Ist das denn wirklich so?

Tom: War jetzt auch wieder so. Man kommt im Alltag einfach schneller ins Gespräch miteinander. Das letzte Mal, als ich in Köln war, stand ich vor einem Musikalienladen rum, dann lief so ein Rentner vorbei, ist stehen geblieben und hat dann auch ins Schaufenster geguckt und sagt: „Ach ja, Gitarre habe ich auch mal gespielt.“ Und dann kommst du mit ihm ins Gespräch. Das passiert in Berlin einfach nicht.

Gerade hat mich hier der Lieferant aber noch freundlich gegrüßt und ein älteres Ehepaar auf dem Fahrrad auch.

Tom: Es ist sicherlich stadtteilabhängig.

Wie hat eigentlich dein Stück Kuchen geschmeckt?

Tom: Sehr gut. Gibt nichts zu meckern.

Da muss ich auch noch mal auf das Video zum Song „Silberne Maschine“ hinweisen. Wer hat das eigentlich gedreht?

Tom: Meine Freundin.

Wie kam es zu der Idee? Das sind tolle Aufnahmen von diesen industriellen Tortenmaschinen.

Tom: Es gibt jede Menge von diesen Videos online von einer bestimmten Firma, die diese Torten herstellt. Auf Nachfrage waren die dann so kulant und haben gesagt, das könnt ihr schon verwenden, wenn ihr uns taggt. Die haben das als Präsentation für ihre Abnehmer, ehrlich gesagt weiß ich aber auch gar nicht, was das genau ist. Das sind ja keine Imagefilme in dem Sinne. Auf jeden Fall die Verbindung aus diesen motorischen oder maschinellen, was die „Silberne Maschine“ als Lied hat, und diesen rhythmischen Produktionsprozessen von diesen Torten hat eine meditative Wirkung.

Voll. Könnte ich stundenlang zuschauen, wobei das Stück ja auch schon über elf Minuten lang geht.

Tom: Ich bin sehr dankbar, dass meine Freundin Daniela Milosevic, die eigentlich bildende Künstlerin, Malerin ist, mir immer wieder bei der visuellen Umsetzung hilft. Ich kann mich gut mit der Musik auseinandersetzen, aber mit dem Visuellen bin ich gar nicht so gut.

Und noch mal zum Abschluss, Essen und Musik passen zusammen, wie …

Tom: Ich sag mal, gute Zutaten, liebevoll zubereitet mit ordentlich Zeit und Muße ergeben ein gesundes, reichhaltiges, nachhaltiges und schönes Geschmackserlebnis. Sie ernähren dich, sind gut für die Seele und den Körper. Und ich glaube, Musik, die mit viel Herz und Ruhe entsteht, ohne kommerziellen Antrieb, ist die, die einem genauso nachhaltig Seele und Körper befriedigt. Das war jetzt so ein bisschen die Fernsehpredigt, aber das ist meine Meinung.

Das Wort zum Montag, und das war sehr viel schöner als von Jürgen Fliege. Vielen Dank!

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Bildquellen

  • Tom_Kuchen: JLü
  • Kaffeeklatsch mit Fotos: JLü

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